Alkoholkonsum, Kapitel 4. 5 [Gesundheitsbericht für Deutschland, 1998]


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4.5 Konsum von Alkohol

 

Alkohol stellt hierzulande neben Tabak (vgl. Kapitel 4.4 Konsum von Tabak) das Suchtproblem Nr. 1 dar. Gesteigerter und chronischer Alkoholkonsum kann zu einer Vielzahl von Gesundheitsstörungen und Krankheiten führen. Die Gefährdung ist im wesentlichen über den Alkoholmißbrauch gegeben, der über eine akute Vergiftung hinausgeht. Bei der Alkoholabhängigkeit müssen nachweisbare Symptome hinzukommen.

Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet. Alkoholtrinken in jungen Jahren führt zu Konsummustern, die sich verfestigen und neben den kurz- und mittelfristigen psychischen und sozialen Entwicklungsstörungen die weitere Lebensführung prägen können.

Mäßiger, auch regelmäßiger Alkoholkonsum muß nicht als gesundheitsgefährdend eingestuft werden. Übermäßiger und chronischer Alkoholkonsum hingegen birgt ein großes Gesundheitsgefährdungspotential in sich. Vielfach ist er mit der Störung oder Auflösung sozialer Bindungen verknüpft.

 

Motivation für den Alkoholkonsum

Alkoholkonsum ist in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens anzutreffen. Es handelt sich jedoch keinesfalls ausschließlich um ein Gruppenphänomen. Vielfach wird Alkohol auch allein getrunken, aus verschiedensten Motiven.

Jugendliche stellen z.T. ihren Mut auf die Probe: "Mal sehen, wieviel du vertragen kannst". Hierbei kann sich der einzelne nicht immer entziehen, denn als Strafe drohen ein Ansehensverlust bis hin zum Ausschluß aus der Gruppe.

Vieltrinker, die mehr als 280 g reinen Alkohol pro Woche konsumieren, nennen am häufigsten folgende Motive: "Alkohol ist eine angenehme Möglichkeit, sich zu entspannen" und "durch Alkohol kann man Ärger leichter bewältigen". Darüber hinaus werden "Alkohol hilft über Niedergeschlagenheit und Depression hinweg", "Alkohol läßt eine starke Belastung leichter ertragen", "Alkohol stärkt das Selbstvertrauen" und "Alkohol macht das Gefühl von Einsamkeit und Unverstandenheit erträglicher" angegeben.

Aus diesen Antworten wird vor allem deutlich, daß dem Alkohol die Rolle eines persönlichen Problemlösers zugeschrieben wird. Auch Trinken aus Genuß kann zu einer Gewöhnung an übermäßigen Konsum führen.

 

Pro-Kopf-Verbrauch

Als Maß für den Konsum hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch reinen Alkohols etabliert. Bei dieser Angabe handelt es sich um einen Durchschnittswert, der keine Rückschlüsse auf die genaue Verteilung der Trinkgewohnheiten oder des Trinkverhaltens zuläßt. Einzelne Problemgruppen lassen sich über diesen Wert nicht identifizieren. Der Pro-Kopf-Verbrauch beeinflußt jedoch besonders das Ausmaß der Folgeerkrankungen: Je höher der Pro-Kopf-Verbrauch, desto häufiger sind alkoholbedingte Erkrankungsfälle und Behandlungsanlässe.

1994 wurden in Deutschland pro Kopf 10,3 l reiner Alkohol als Bier, Spirituosen, Wein und Schaumwein verbraucht. Deutschland liegt damit hinter Luxemburg, Frankreich und Portugal auf einem der vorderen Plätze in Europa (siehe Abb. 4.5.1).

 

Abb. 4.5.1: Pro-Kopf-Verbrauch an reinem Alkohol 1994

 

 

 

 

Quelle: Hüllinghorst [1993]; DHS, Jahrbuch Sucht [1996].

 

Von 1950-1980 stieg der Pro-Kopf-Verbrauch im Westen von ca. 3 l reinem Alkohol auf ca. 12 l kontinuierlich an. Für den Zeitraum von 1980-1994 ist ein Rückgang um ca. 9% feststellbar, wobei der. Der Verbrauch in den Jahren 1990-1994 lag relativ konstant bei ca. 12 l pro Kopf lag. Auf die Bevölkerungsgruppe der 15-70jährigen umgerechnet, ergibt sich für das Jahr 1994 ein jährlicher Pro-Kopf-Verbrauch reinen Alkohols von über 13 l und ein täglicher durchschnittlicher Konsum von über 36 g.

 

Konsum nach Alter und Geschlecht

Mit rund 56% trinkt über die Hälfte der Bevölkerung nach eigenen Angaben regelmäßig Alkohol in mäßigen Mengen (1-20 g reinen Alkohol pro Tag). Starker Alkoholkonsum (mehr als 40 g reiner Alkohol pro Tag) wird von rund 10% der Bevölkerung zugegeben. Demgegenüber geben etwa 22% an, keinen Alkohol zu trinken.

Im Westen trinken Männer pro Woche durchschnittlich 3,4 l Bier und 0,08 l Spirituosen, im Osten hingegen konsumieren Männer 4,3 l Bier und 0,1 l Spirituosen. Im Wein- und Sekt-Konsum sind die Unterschiede zwischen Osten und Westen mit 0,7 l bzw. 0,5 l sind geringer ausgeprägt.

Frauen im Westen trinken mit 1,2 l ca. 0,2 l mehr Bier als Frauen im Osten. Unterschiede im Wein-, Sekt- und Spirituosenkonsum lassen sich zwischen Osten und Westen kaum ausmachen.

Eine besondere Gefahr für die Gesundheit stellt ein dauerhafter Tagesverbrauch von mehr als 40 g reinem Alkohol für Männer bzw. mehr als 20 g für Frauen dar; dies entspricht mehr als 0,4 bzw. 0,2 l Wein. Diese schädliche Menge verbrauchten im Jahr 1995 ca. 16,2% der Männer (15,1 im Westen und 20,5 im Osten). Rund 10% der Frauen (im Westen wie im Osten) gaben den für sie schädlichen Verbrauch von mehr als 20 g an (siehe Abb. 4.5.2). Umgerechnet auf die Bevölkerung Deutschlands entspricht dies insgesamt ca. 10,6 Mio. Betroffenen beiderlei Geschlechts.

 

 

Abb. 4.5.2: Konsum von reinem Alkohol 1995

 

 

 

 

Quelle: IFT, Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland [1996]; eigene Berechnungen.

 

 

 

Folgen übermäßigen Alkoholkonsums

Schäden körperlicher, psychischer und sozialer Natur können Folgen übermäßigen Alkoholkonsums sein. Neben Befindlichkeitsstörungen wie innerer Unruhe, Schlaflosigkeit, Zittern, Konzentrationsprobleme und Einschränkung der Kontrollfähigkeit sowie alkoholbedingtenr Krankheiten ist für die Betroffenen vielfach der Verlust von Familie, Arbeit oder Wohnung zu beklagen.

Darüber hinaus steigt unter Alkoholeinfluß die Gewaltbereitschaft. Im Jahr 1993 standen 30,1% der Tatverdächtigen für gefährliche und schwere Körperverletzung unter Alkoholeinfluß; bei den Totschlagdelikten (42,4%) und den Sexualmorden (52,9%) ist der Anteil sogar noch höher (Klein [1995]).

Eine weitere gewichtige Gefahr des Alkoholkonsums liegt in der verminderten Kontrollfähigkeit im Straßenverkehr. Im Jahr 1995 verstarben insgesamt 9 454 Personen infolge eines Straßenverkehrsunfalls (vgl. auch Kapitel 4.18 Verkehrsunfälle). 1 716 dieser Todesfälle erfolgten unter Alkoholeinfluß. Damit verstarb etwa jeder sechste Getötete im Straßenverkehr durch einen Unfall unter Alkoholeinfluß (siehe Abb. 4.5.3).

 

 

Abb. 4.5.3: Folgen von Straßenverkehrsunfällen unter Alkoholeinfluß 1995

 

 

 

 

Quelle: StBA, Statistik der Straßenverkehrsunfälle.

 

 

 

Alkoholabhängigkeit und alkoholbezogene Krankheiten

Grundsätzlich lassen sich mit Blick auf die Alkoholaffinität, d.h. den Zusammenhang zwischen Alkohol und Erkrankung, zwei Gruppen von Krankheiten unterscheiden:

  • Krankheiten, die aufgrund des Standes der Wissenschaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Alkoholkonsum folgen, und
  • Krankheiten, zu deren Entstehen der Alkoholkonsum beiträgt.

Zur ersten Gruppe gehören etwa die Alkoholabhängigkeit, Alkoholpsychosen, alkoholische Fettleber, alkoholische Hepatitis, die alkoholische Leberzirrhose und die alkoholische Polyneuropathie. Bei dieser Gruppe spricht man auch von den sog. "klassischen" Alkoholkrankheiten.

Zur zweiten Gruppe zählen u.a. Krebse der oberen Verdauungswege (Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre), des Magens, der Bauchspeicheldrüse und der Leber, aber auch Krankheiten des Herzens (z.B. Herzmuskelschwäche) und des Kreislaufs (z.B. Bluthochdruck).

Alkoholabhängigkeit ist international als Krankheit definiert (Dilling u.a. [1991]). Sie wird diagnostiziert, wenn während des letzten Jahres mindestens drei der folgenden Kriterien gegeben waren:

  • Drang zum Alkoholkonsum,
  • verminderte Fähigkeitt, Beginn, Beendigung und Menge des Alkoholkonsums zu kontrollieren,
  • Konsum mit dem Ziel, Entzugssymptome zu mildern,
  • körperliches Entzugssyndrom (Unruhe, Zittern, Angst),
  • Toleranzbildung, d.h. die Abhängigen vertragen zunehmend größere Alkoholmengen,
  • eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol,
  • fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Alkoholkonsums,
  • zunehmendes Trinken nach körperlichem Bedarf,
  • anhaltender Alkoholkonsum trotz des Wissens um die schädlichen Folgen.

1995 wurden in Deutschland in den Krankenhäusern rund 167 000 (1994: etwa 165 000) Behandlungen infolge von Alkoholabhängigkeit und -mißbrauch durchgeführt. Dies sind 1,1% aller stationären Behandlungsfälle. Die Altersgruppen der 35-44jährigen mit 61 574 Fällen gefolgt von den 45-54jährigen mit 41 139 waren am häufigsten betroffen. Ca. 78% der Behandlungen entfielen auf Männer und ca. 22% auf Frauen (StBA [19957a]). Diese Zahlen dokumentieren jedoch nur die behandelten Fälle mit der Primärdiagnose Alkoholabhängigkeit. Bei einer Untersuchung in einem Krankenhaus wurde in der inneren Medizin und Chirurgie bei 17,5% der Patienten im Alter zwischen 18 und 64 Jahren eine Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmißbrauch nachgewiesen (John u.a. [1996]). Demgemäß ist bei einem größeren Anteil von Patienten, die an anderen Krankheiten behandelt werden, zusätzlich zur Primärdiagnose von einer Alkoholabhängigkeit auszugehen.

Die in der Wissenschaft besonders häufig diskutierte alkoholbezogene Krankheit ist die Leberzirrhose (vgl. auch Kapitel 5.22 Chronische Leberkrankheit und -zirrhose). Im Kontext des Alkoholmißbrauchs ist hierzu insbesondere die alkoholische Leberzirrhose zu zählen. 1995 wurden ca. 66 000 Fälle (1994: ca. 68 000) mit chronischer Leberkrankheit und -zirrhose in Krankenhäusern behandelt. 14 891 Fälle davon waren 45-54 Jahre alt, 18 933 55-64 Jahre. Diese beiden Altersgruppen bilden damit etwa die Hälfte aller Behandlungsanlässe infolge chronischer Leberkrankheit und -zirrhose (StBA [1997a5]).

Ein weiteres gesundheitliches Problem ist ein erhöhter Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. Das Krankheitsbild Alkoholembryopathie zeigt bei Säuglingen, deren Mütter während der Schwangerschaft übermäßig Alkohol tranken, vermehrt geistige und körperliche Schäden. Häufige Merkmale sind Untergewicht, Wachstumsstörungen und Fehlbildungen, insbesondere der inneren Organe (Herz, Nieren).

In Deutschland wird von etwa 1-2% alkoholabhängigen Frauen im gebärfähigen Alter ausgegangen. Nur etwa 20% der Frauen trinken während der Schwangerschaft überhaupt keinen Alkohol. Jährlich kommen ca. 2 200 Kinder mit Alkoholembryopathie zur Welt (vgl. Wiesner [1995]).

 

Alkoholbedingte Sterblichkeit

Alkoholbedingte Sterblichkeit ist schwierig zu beschreiben. Neben der alkoholbedingten Leberzirrhose gibt es zahlreiche weitere, auf Alkohol zurückzuführende Sterbefälle.

1995 verstarben an alkoholischer Leberzirrhose 9 609 Personen; dies entspricht standardisiert 10,6 Sterbefällen je 100 000 Einwohnern. Im Osten liegt die Sterblichkeit höher (vgl. auch Kapitel 5.22). Das mittlere Sterbealter liegt bei rund 55 Jahren. Auch wenn die alkoholische Leberzirrhose über die Todesursachenstatistik separat ausgewiesen wird, ist davon auszugehen, daß ein weiterer beträchtlicher Anteil von Sterbefällen an chronischer Leberzirrhose durch übermäßigen Alkoholkonsum verursacht wird.

Bei übermäßigem Alkoholkonsum ist ein früher Tod besonders wahrscheinlich. Schätzungen zufolge liegt die Sterberate von Alkoholikern über einen Zeitraum von 10 Jahren betrachtet um das Zehnfache über der Normalsterblichkeit (Wiesner [1995]). Das Sterberisiko wird dabei für Frauen etwa doppelt so hoch veranschlagt wie für Männer.

 

Prävention

Neben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die überörtliche Informationsarbeit zur Prävention von Suchtkrankheiten leistet, existieren in Deutschland 1 280 Beratungsstellen für Suchtkranke (Stand: Juli 1996). 1 136 dieser Beratungsstellen sind auf Hilfsangebote bei Problemen mit Alkohol und Medikamenten spezialisiert (Hüllinghorst [1996]). Die Dichte der Beratungsangebote ist regional verschieden. Im Durchschnitt kommen 67 500 Einwohner auf eine Beratungsstelle.

Die präventiven Maßnahmen erstrecken sich auf die Arbeit mit Eltern, Jugendarbeit, Schule, Betrieb, betriebliche Ausbildung, Medizin, eigene Kontaktzentren sowie Öffentlichkeitsarbeit mit regionalen Arbeitskreisen, Plakat- und Flugblattaktionen, Presseinformationen, allgemeinen Vorträgen u.a. Diese Arbeit wird von durchschnittlich fünf Mitarbeitern einer ambulanten Beratungs- und Behandlungsstelle geleistet (Hüllinghorst [1996]).

Auch Selbsthilfeorganisationen (siehe auch Kapitel 6.4 Laien- und Selbsthilfe) wie die Anonymen Alkoholiker, das Blaue Kreuz u.a. sind neben der Wahrnehmung von Betreuungsaufgaben im Bereich der Alkoholprävention tätig.

Zusätzlich werden Aufgaben der Prävention und Öffentlichkeitsarbeit von der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren wahrgenommen.

Der finanzielle Aufwand für die Prävention von Suchtkrankheiten steht in keinem angemessenen Verhältnis zu den gesamtgesellschaftlichen Folgen. So verfügt bspw. die BZgA derzeit (Stand: 1997) nur über ein Budget von ca. 12 Mio. DM jährlich.

 

Behandlung

Entzugsbehandlungen

Behandlungen zum körperlichen Entzug von Alkohol werden überwiegend in psychiatrischen Krankenhäusern, aber auch in Allgemeinkrankenhäusern stationär durchgeführt. In psychiatrischen Krankenhäusern bilden Behandlungen des körperlichen Entzuges den Anlaß bei schätzungsweise ca. einem Drittel der Aufnahmen (vgl. Wienberg [1992]). Psychotherapeutisch orientierte Ansätze (Motivierungsbehandlungen) sind dringend erforderlich, sie bestehen aber erst vereinzelt (John u.a. [1996]).

 

Entwöhnungsbehandlungen

Bei Entwöhnungsbehandlungen handelt es sich um psychotherapeutisch orientierte Therapien mit dem Ziel abstinenten Lebens. Eine Behandlung dauert im Durchschnitt vier Monate (Hüllinghorst [1993]).

1996 standen für Alkohol- und Medikamentenabhängige im stationären Bereich für Entwöhnungsbehandlungen ca. 12 000 Betten zur Verfügung (Hüllinghorst [1996]). Die Zahl der durchgeführten stationären Entwöhnungsbehandlungen für Suchtkranke stieg im Westen von 24 731 (1989) auf 29 823 (1995). Im Osten wurden im Jahre 1995 4 206 Entwöhnungsbehandlungen durchgeführt. Etwa 19% aller Behandlungen entfielen auf Frauen.

Im Vergleich zur geschätzten Zahl der Entzugsbehandlungen sind die Entwöhnungsbehandlungen von geringerer Bedeutung. Sie werden vermehrt von Patienten in Anspruch genommen, die im Durchschnitt weniger von Merkmalen sozialen Abstiegs wie Arbeitslosigkeit oder Scheidung betroffen sind, als Patienten in Entzugsbehandlungen.

 

Steuerungsmöglichkeiten

Die Zahlen zum Konsum von Alkohol sowie zur Häufigkeit alkoholbezogener Krankheiten bzw. Sterblichkeit verweisen auf ein beträchtliches Präventionspotential. Den Alkoholkonsum zu verringern, Folgekrankheiten zu vermeiden und Behandlungsstrukturen effektiver zu gestalten, sind mögliche Ansatzpunkte gesundheitspolitischen Handelns.

Der verstärkte Einsatz von Ressourcen für präventive Maßnahmen kann nach einigen Jahren bereits zu einer Verringerung alkoholbezogener Krankheiten führen.

Die Primärprävention hat vor allem das Ziel, den Alkoholkonsum zu verringern. Durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit muß versucht werden, die Einstellung der Menschen gegenüber dem Alkohol zu ändern. Des weiterenVor allem sind Maßnahmen zu ergreifen, um Fertigkeiten im sozialen Umgang bei Kindern und Jugendlichen zu entwickeln. Die didaktischen Möglichkeiten in der Schule sollten auch hinsichtlich der Aufklärung über Suchtgefahren stärker genutzt werden.

Ferner können Gesundheitsförderungsprogramme in verschiedenen Organisationen (z.B. Betrieben) ein wirksames Mittel zur Aufklärung und Vermeidung von Gesundheitsgefahren durch Alkoholmißbrauch darstellen.

Die Wissenschaft hat gesetzgeberische Maßnahmen und ihre Einhaltung als das wirksamste Mittel der Primärprävention zur Verringerung des Alkoholkonsums nachgewiesen. Hierzu zählen:

  • Mäßige Restriktionen des Zugangs zum Alkohol,
  • kontrollierter Alkoholverkauf,
  • Preisregulation,
  • Altersbegrenzungen beim Verkauf von Alkohol,
  • 0,0-Promillegrenze im Straßenverkehr.

Im Bereich der Früherkennung, -beratung und -behandlung gibt es bereits viele Einrichtungen, in denen Alkoholabhängige auf ihre Problematik aufmerksam gemacht werden können. Hier sind zusätzlich bereits entwickelte Beratungsformen aufzubauen bzw. weiter auszubauen.

Dazu zählt insbesondere die Schaffung von Therapieeinheiten Therapieschwerpunkten in Arztpraxen und Allgemeinkrankenhäusern. Die Zielsetzung ist, Patienten in Frühphasen zu einer Bekämpfung ihrer Abhängigkeit zu motivieren. Die Möglichkeiten eines qualifizierten Entzugs und daran gekoppelte Aufklärungsarbeit könnten dazu beitragen, vorhandene Barrieren zur Inanspruchnahme von Entwöhnungsbehandlungen abzubauen und die Betroffenen besser auf ein Leben ohne Suchtstoffe vorzubereiten. Durch solche Maßnahmen ist bereits nach wenigen Jahren mit Kosteneinsparungen aufgrund vermiedener stationärer Behandlungen von alkoholbezogenen Krankheiten zu rechnen.

Im rehabilitativen Bereich sollten ambulante und tagesklinische Therapien weiterentwickelt und flächendeckend sowie wohnortnah eingeführt werden. Das Angebot an Übergangseinrichtungen und das betreute Wohnen zeigen mögliche Wege aus der Alkoholabhängigkeit auf; sie sollten in die gesundheitspolitische Planung aufgenommen werden. Alle beschriebenen Maßnahmen müssen einer Prozeß- und Ergebnisevaluation unterzogen werden, um Ressourcen effizient einzusetzen.

 

Vertiefende Literatur

Hüllinghorst, R. [1996]: Versorgung Suchtkranker in Deutschland. In: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.) [1996]: Jahrbuch Sucht 97. Geesthacht: Neuland, S. 128-134.

John, U.; Hapke, U.; Rumpf, H.-J.; Hill, A.; Dilling, H. [1996]: Prävalenz und Sekundärprävention von Alkoholmißbrauch und -abhängigkeit in der medizinischen Versorgung. Baden-Baden: Nomos.

Junge, B. [1994]: Alkohol. In: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.) [1994]: Jahrbuch Sucht 95. Geesthacht: Neuland, S. 9-30.

Seitz, K.; Lieber, C.; Simanowski, U. [1995]: Handbuch Alkohol, Alkoholismus, Alkoholbedingte Organschäden. Leipzig: Barth.

Wiesner, G. [1995]: Alkoholassoziierte Mortalität. In: Casper, W.; Wiesner, G.; Bergmann, K.E. (Hrsg.) [1995]: Mortalität und Todesursachen in Deutschland. Berlin: RKI, S. 355-384 (RKI-Heft 10/95).

 


Kapitel 4.5 Konsum von Alkohol [Gesundheitsbericht für Deutschland 1998]


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